Es gibt da so ein Spiel auf Instagram, einen Suchbild-Salat aus Buchstaben. Darüber steht: „The first word you’ll see is where you’ll go for your next vacation“. Wir schauen, suchen, sehen: „Nowhere“. Ostern 2020, alle bleiben zuhause. Wahrscheinlich auch im Sommer noch. Wer weiß, wie lange uns die Corona-Krise im Griff hat. Fest steht ohnehin schon: Dieses Jahr wird immer das Jahr der Pandemie sein. Ein Virus verändert die Welt – und ein Virus verändert die Umwelt.
Seit sich die ersten Menschen mit Covid 19 infiziert haben, sind die Kraftwerke gedrosselt, die Smog-Wolken über China verschwunden und die Kanäle in Venedig wieder klar. Der Flugverkehr ähnelt weltweit dem der 50er Jahre, als man Mad-Men-mäßig in der Kabine rauchen durfte. Weil Ausnahmesituation. Und weil schon eine Kurzstrecke meist das persönliche Highlight eines halben Jahrzehnts darstellte. Aktuell steht alles still. Oder stiller.
Dicke Luft: Fürs Klima heißt Corona einen Schritt vor, zwei Schritte zurück
Und schon gibt’s neben all den Horrormeldungen auch den ersten Jubel über die vermeintliche Königin Corona, gekommen, um endlich unsere Umwelt zu schützen. Zum zuvor noch unmöglichen Erreichen der deutschen Klimaziele für 2020 habe sie schon beigetragen, heißt es. Für uns kein Grund, die Hände hochzureißen. „Sich darüber zu freuen“, so auch Fridays for Future-Aktivistin Luisa Neubauer neulich im ZDF, „ist moralisch und menschlich unangebracht. Und zugleich strukturell falsch. Weil Klimaschutz bedeutet, dass Ziele gesetzt und durch stringente Maßnahmen erreicht werden. Das ist das einzige, worauf wir uns verlassen können.“Denn worauf wir uns nicht verlassen können, das zeigt die Corona-Krise sehr deutlich, ist dass in Sachen Klimaschutz vor der Pandemie politisch wirklich alles getan wurde, was möglich wäre. Genau das dürfen wir, auch über die Selbstisolation, auf keinen Fall vergessen! Das unzulängliche Verhalten unserer Regierung in Bezug auf die Erderwärmung darf nicht durch besonnenes Handeln in Sachen Corona ersetzt werden. Die eine Krise darf die andere nicht ablösen. Denn hart aber so ist es: Beide sind da!
Ein Rückgang von Emissionen, zufällig ausgelöst durch eine Wirtschaftskrise, wird aus Mangel an richtigen Strategien und strukturellen Maßnahmen nicht zukunftsfähig sein. Im Gegenteil: Wenn wegen Corona Investitionen wegfallen, verlangsamt das nämlich unter Umständen auch die ökologische Weiterentwicklung.
Die große Frage: Werden wir uns zurückhalten können?
Nächste schlechte Nachricht: Ob sich unsere Luftqualität jetzt wirklich nachweislich verbessert, hängt von diverse Faktoren ab – nicht zuletzt sogar vom Wetter – und lässt sich laut Expert*innen nicht sicher vorhersagen. Und noch fraglicher dürfte unserer Meinung nach sein, inwieweit wir selbst uns verbessern. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. Vorübergehend! So hoffen wir für unser aller Gesundheit. Für unsere Umwelt müssten wir besser: “Für immer!” schreien. Egal, ob wir nun dazu gezwungen sind, oder nicht: Wir müssen uns zurückhalten. Und “wir” meint die ganze Spezies.
Ob wir das können? Erstmal eher fraglich. Laut Spiegel spricht Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, mit Blick auf weniger Reisen in Deutschland von einem „Einmaleffekt“. Aktuell sind die Emissionen vielleicht mal weg. „Nach der Krise sind sie wieder da“, mutmaßt Messner. Ein anderer Experte seiner Behörde geht noch weiter: „Wenn man sich die Wirtschaftskrisen ansieht, dann kam es nach den Einbrüchen mit niedrigen Emissionen danach zu einem noch stärkeren Anziehen der Konjunktur und höheren Emissionen.“ Der Konsum werde oft nachgeholt. Na, das kann ja was werden. Zum Beispiel eine Überraschung!
Unsere Chance: Die neue Bescheidenheit
Und damit kommen wir dann endlich auch mal zu den good News: Schließlich besteht gleichzeitig die Chance, dass wir in der Selbstisolation etwas lernen. Und damit meinen wir an dieser Stelle keine weitere Fremdsprache, keine neue Yoga-Haltung, kein extra-cooles Kochrezept. Sondern Demut. Oder doch zumindest ein bisschen Bescheidenheit! Denn selbst denen, die’s nicht vorher schon geahnt hatten, lehrte Corona besser als jedes Instagram-Meme, das being busy eben keine Personality ist. Und dass kein Online-Einkauf den physischen, analogen, direkten Kontakt mit geliebten Menschen ersetzen kann. Vielleicht ersetzen uns diese Menschen nach der Krise die Shopping-Tour.
Denn es wird so sein, wie die englische Queen erst neulich versprach: We will meet again. Wir werden uns wieder umarmen, spüren, direkt austauschen. Und wir werden uns gemeinsam erinnern, an das unangenehme Gefühl, in der Krise zu stecken. Ein Gefühl, dass es zu erinnern gilt. Es könnte uns davon abhalten, sehenden Auges in die nächste Krise zu schlittern. Die Klimakatastrophe die, glaubt man Expert*innen, kommen wird. Und das tun wir ja immerhin jetzt!Was bleibt: Verantwortung fordern – von denen, die sie tragen müssen
Im Crashkurs haben wir gelernt, innezuhalten, auszuruhen, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wir haben gesehen, welche Politiker*innen potenziell kühle Köpfe und kollektiv coole Ansätze haben. Das Corona-Virus hat Populisten geschwächt. Und es hat die Kompetenz der Kompetenten gestärkt. Auch und gerade die der Wissenschaftler*innen. Zu keiner Zeit in der Geschichte der Demokratie hat sich die Politik so sehr nach der Wissenschaft gerichtet, wie jetzt.
Und so schlittern wir, wenn wirklich, immerhin gestärkt von einer Krise in die nächste. Und gemeinsam. Den eben gelernte Zusammenhalt kann jeder von uns weitertragen. Aus der Selbstisolation heraus, auf die Straße, heran an die Politik. Lasst uns weiter wach sein und aufstehen und einstehen für unsere Werte, einen achtsamen Umgang mit Ressourcen, ein besseres Klima. Informiert Euch, unterschreibt Petitionen, geht demonstrieren, lasst Euch auf Diskussionen im Bekanntenkreis ein. Und lasst uns Verantwortung fordern, von denen, die sie hauptsächlich tragen müssen. Weil sie etwas ändern können: unsere Regierungsbeauftragten.