Wie sieht die Ernährung der Zukunft aus? Was wird nachgefragt? Was kann weiterhin angeboten werden? Und wie können wir uns besonders klimafreundlich ernähren? – Ernährung ist Geschmackssache, aber eben auch Gewohnheit. Nachhaltigkeitsblogger Marcus von Viertel \ Vor erzählt, wie wir unsere Gewohnheiten umstellen müssen, aber auch, welche Entwicklungen es in Wirtschaft und Industrie geben kann und muss, damit wir unsere Umwelt erhalten und alle weiterhin satt werden können.

Als wir uns vor ein paar Jahren unseren kleinen Bauernhof in Brandenburg gekauft haben, hatten wir als Stadtkinder keine Ahnung davon, wo unsere Nahrung produziert wird. Wie lange brauchen eigentlich Pflanzen, um zu wachsen und geerntet werden zu können? Wie läuft das mit der Milch und den Kühen? Welche Zusammenhänge und Kreisläufe gibt es?

Unsere anfängliche Naivität hat schnell einer harten Realität Platz gemacht – spätestens als wir das erste Mal die Fenster schließen mussten, weil das Feld vorm Haus mit Pestiziden bespritzt wurde

Landwirtschaft hat maßgeblichen Anteil am Klimawandel

Wir alle sind abhängig von der Landwirtschaft. Weltweit stellen Bauern das her, was später bei uns auf den Tellern landet. Bei bald zehn Milliarden Menschen wird das jedoch zu einer zunehmend großen Herausforderung. Vor allem, da die konventionelle Landwirtschaft einen großen Anteil am Klimawandel, der Regenwaldabholzung und dem Artensterben hat. Wie können wir uns so ernähren, dass niemand hungern muss, wir aber auch nicht unsere Welt damit kaputt machen?

Bewusst genießen

Das heißt nicht, dass jeder Mensch von jetzt auf gleich komplett auf tierische Produkte verzichten muss und zum Veganer wird. Das wäre utopisch. Die schnellste und effektivste Möglichkeit dazu, ist der Umstieg auf eine pflanzliche Ernährung. Aber wenn alle nur noch die Hälfte an Fleisch- und Milchprodukten konsumieren, bräuchten wir eben nur noch halb so viele Tiere in unseren Ställen – inklusive weniger Sojaanbaufläche in Brasilien, weniger Methan in der Luft und weniger Nitraten in unserem Grundwasser. Das würde unsere Natur schon um einiges entlasten. Eine gute Alternative, wenn man nicht ganz auf tierische Produkte verzichten kann: Wir ernähren uns, wie unsere Großeltern. 80 Prozent pflanzlich und 20 Prozent tierisch. Da darf man sich als Fleischliebhaber umso mehr auf den Sonntagsbraten freuen. Eine pflanzliche Ernährung bringt im Übrigen nicht nur Vorteile für die Umwelt, sondern steht auch für mehr Tierwohl und mehr Gesundheit.

Lesetipp:

Warum vegane Ernährung ein wichtiges Thema ist, erfährt Du auch in unserem Blogbeitrag zum Welttierschutztag.

Immer leckerere Alternativen

Zudem gibt es seit ein paar Jahren echte Fleischalternativen, die dem Original immer mehr in nichts nachstehen. Beyond Meat, Impossible Burger und viele Nachahmer revolutionieren gerade den Markt für Fleischprodukte. Sie erleichtern somit den Umstieg auf eine vegetarische oder vegane und eben klimafreundlichere Ernährung. Und wer trotz schlechtem Klimagewissen nicht aufs Fleisch verzichten will, für den steht schon die nächste Alternative in den Startlöchern: Laborfleisch. Laborfleisch – auch “In-vitro-Fleisch” genannt – ist kultiviertes Fleisch aus dem Labor. Bei dieser Methode nimmt man das Muskelgewebe von einem Tier, beispielsweise von einem Rind, und vervielfacht das durch bestimmte Nährlösungen. Das ist immer noch unerschwinglich. Aber in ein paar Jahren kann es Standard sein, dass echtes Fleisch ohne Tierleid in den Laboren dieser Welt gezüchtet wird. Winston Churchill hat 1931 schon gesagt:

“Fifty years hence, we shall escape the absurdity of growing a whole chicken in order to eat the breat or wing by growing these parts separately under a suitable medium.”
Fleischkonsum
Ein bedarf einem Umdenken - allein dem Tierwohl zugute!

Alte Traditionen neu aufleben lassen

Generell gilt, wer sich klimaneutral ernähren möchte, sollte vor allem darauf achten, wo die Produkte, die man einkauft, herkommen. Das Ziel: so regional und saisonal, wie möglich. Zwar haben wir uns in den letzten Jahrzehnten daran gewöhnt, dass wir auch im Winter Erdbeeren, oder Tomaten kaufen können, aber all diese leckeren Sachen müssen über große Strecken transportiert werden – und bekommen damit einen entsprechend großen CO2 Fußabdruck. Auch hier lohnt sich der Blick zurück. Alte Traditionen wie einkochen, fermentieren und haltbarmachen, ermöglichen uns auch in der kalten Jahreszeit leckere Produkte aus unserer Region.

Je regionaler, desto besser

Überhaupt ist Regionalität ein großer Trend. Kombiniert mit nachhaltigen Anbaumethoden setzt dies der Agro-Industrie eine echte Alternative gegenüber. Mehr und mehr Menschen, vor allem aus der Stadt, unterstützen diese andere Herangehensweisen und schließen sich zum Beispiel in solidarischen Kooperativen zusammen. Jedes Mitglied zahlt einen monatlichen Grundbetrag und bekommt dafür eine bestimmte Menge an nachhaltig erzeugten lokalen Produkten. Frischer und direkter geht es kaum.

Regenerative Landwirtschaft
Zudem gilt zu berücksichtigen, dass die Bio-Landwirtschaft um einiges nachhaltiger sein kann als konventionelle. So kann es beispielsweise sein, dass eine Bio-Gurke aus den Niederlanden (nicht regional) einen besseren ökologischen Fußabdruck hat, als eine gespritzte, konventionell angebaute Paprika, die aus der Region ist. Die beste Kombination: Bio und regional. Spannendes zum Thema erfährst Du auch in unserem Blogbeitrag: Regional einkaufen, aber richtig!

Die große Chance: CO2 im Boden binden

Diese eigentlich alte Form der Landwirtschaft richtet ihr Wirtschaften nicht mehr an Weltmarkt- und Supermarktpreisen aus und kann somit auch ganz anders mit ihrem Boden umgehen. Das ist wichtig. Denn nur gesunde Böden können auch gute Lebensmittel produzieren. Regenerative Landwirtschaft ist dabei mit Abstand die klimafreundlichste Anbauweise. Hier wird versucht das Leben im Boden zu fördern, Humus aufzubauen und CO2 im Boden zu binden. Gerade unter der Herausforderung von zunehmender Trockenheit sind resiliente und gesunde Böden entscheidend für unser aller Ernährungssicherheit. Einfach mehr Pestizide drauf spritzen wird uns in Zukunft nicht mehr helfen.

Science Fiction neben Tradition

Die Science Fiction Alternative zum traditionellen Anbau wird gerade mehr und mehr in Asien ausprobiert – namens Vertical Farming. Riesige mehrstöckige Indoor-Farmen werden von Robotern überwacht und ermöglichen ein ideales Mikroklima entsprechend des jeweiligen Produktes. Der Vorteil: solche Fabriken können auch mitten in der Stadt entstehen und verkürzen die Lieferwege in die Supermärkte dramatisch. Die Erdbeeren haben dann zwar nie auch nur ein Stück Erde gesehen, aber sind dafür wahrscheinlich perfekt rot und einheitlich geformt.

Spannende Impulse zum Thema bietet auch das Video von Niko Rittenau “Lösungen zur Weltnernährung in 2050”:

Neue Herstellungswege und jeder Einzelne

Wichtig ist, dass sich bald etwas in der Art und Weise ändert, wie wir unser Essen herstellen und welche Produkte wir überhaupt nachfragen. Fest steht: So wie unser Ernährungssystem gerade aufgestellt ist, ist es nicht nachhaltig und leistet einen enormen Beitrag zum Klimawandel und dem Artensterben. Wir alle müssen uns über unsere Verantwortung klar werden und wissen, dass das, was wir kaufen, Einfluss auf unsere Welt hat. Die Politik muss uns dabei helfen und die nötigen Voraussetzungen schaffen, dass diejenigen gefördert werden, die versuchen Klima, Ressourcen und Artenschutz in Einklang mit unserer Ernährung zu bringen. Aber auch jede und jeder Einzelne von uns – ungeachtet von politischen Entscheidungen – kann den Markt lenken und die Nachfrage mitbestimmen. Es ist Zeit zum Umdenken!