„Waste isn’t waste until we waste it“. Musiker und Umweltaktivist Will.i.am hat unser Problem mit dem Müll ganz gut auf den Punkt gebracht – denn was in Industrie und Alltag so abfällt, ist erst dann wirklich für die Tonne, wenn wir’s verschwenden statt wiederverwenden. Aktuell verschenken wir nicht nur Ressourcen, sondern schaffen uns auch noch ein größeres Entsorgungsproblem als nötig wäre. Fakt ist: Wir müssen unser System neu denken. Und zwar im Kreis herum! Circular Economy ist das Stichwort. Rohstoffe auch nach dem ersten Gebrauchszyklus per Kreislaufwirtschaft im Loop zu halten, ist doch eigentlich nur logisch und bekämpft Müllberge, Ressourcenknappheit und Klimaerwärmung in einem. We like!

Abfall und Ressourcenverbrauch in Deutschland

Allein an Plastik werden in Deutschland jährlich pro Kopf rund 39 Kilogramm an Abfall verbraucht. Ja, verbraucht. Das Wort ist hier bewusst gewählt. Denn nicht alles davon wird auch weiter verwertet. Nur 40 bis 50 Prozent von dem, was wir in die gelbe Tonne oder den gelben Sack werfen, kann wirklich weiterverarbeitet werden. Means: Unser (Abfall-)Wirtschaftssystem ist in der Regel noch immer stark daran gekoppelt, Ressourcen zu verbrauchen. Und diese Ressourcen werden verdammt knapp. (Quelle: WWF)

Wurden der Natur im Jahr 1970 insgesamt weltweit noch etwa 27 Milliarden Tonnen Rohstoffe entnommen, so waren es 2017 schon 91 Milliarden Tonnen. Für 2060 werden jährlich 167 Milliarden Tonnen prognostiziert. Obwohl uns allen mittlerweile klar sein dürfte, dass jede Nutzung von Rohstoffen Auswirkungen auf das Ökosystem hat. Jedes Mal werden Emissionen und Schadstoffe freigesetzt, Flächen und Energie verbraucht und eben Abfälle produziert. (Quelle: NABU)

Immer mehr, mehr, mehr ist nicht nur in Bezug auf Plastik, sprich Erdöl, schlicht nicht möglich. Sondern auch auf – salopp gesagt – alle anderen Materialien und nicht natürliche Rohstoffe. Und selbst bei denen, die nachwachsen, bekommen wir irgendwann ein Platz- oder Boden- oder Bewässerungsproblem. Die gute Nachricht: Wir haben ja schon so viel auf der Welt! Wie wär’s, wenn wir mit dem Vorhandenen achtsamer würden, die Nutzung verlängern und statt auf immer wieder neu auf einen natürlichen Materialkreislauf setzen? Und zwar im ganz großen Stil! Hallo Kreislaufwirtschaft.


Der Anfang vom Ende: Warum wir von der Wegwerfgesellschaft weg müssen

Ziel muss es dabei sein, von einer linearen, Stichwort Wegwerf-Gesellschaft, zu einer zirkulären Wirtschaft zu kommen, in der Produkte langlebig und reparierbar gestaltet und Abfälle als Ausgangsmaterial für Neues genutzt werden.

Was ist Kreislaufwirtschaft?

Eigentlich ganz einfach: Die Materialien und Produkte werden so lange wie möglich gemietet, geteilt, wiederverwendet, repariert und recycelt, wie es geht. Auf diese Weise wird der Nutzungszyklus verlängert, Abfälle werden auf ein Minimum reduziert.

Das kann die Mehrweg-Trinkflasche sein, die wir nach der Abnutzung wieder an die Produktionsstätte abgeben, die daraus neue Produkte entstehen lässt. Das kann aber auch das T-Shirt sein, das nach der Abnutzung ganz einfach kompostierbar ist und somit für neue Rohstoffe sorgt. Oder die Ölmühle, die aus den ausgequetschten, übrig gebliebenen Kürbis- oder Sonnenblumenkernschalen Tierfutter presst.

Verschiedene Forscher*innen, wie beispielsweise das Projekt Loopsai, arbeiten an der Optimierung von Stoffkreisläufen aus echten Abfällen, lassen unter anderem Pilze auf Kaffeesatz wachsen. Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt dabei auch über die Versuchs-Farm hinaus Lösungsvorschläge für komplexe Stoffkreisläufe in allen Wirtschaftsbereichen. In Stoffkreisläufen zu agieren wird so einfacher und auch wirtschaftlich unverkennbar sinnvoll – die Wertschöpfung also eine runde Sache.

Prinzip der Kreislaufwirtschaft

Vorteile der Kreislaufwirtschaft

Gut für uns und unsere Umwelt! Die Vorteile der Kreislaufwirtschaft sind nicht von der Hand zu weisen:

  • weniger Ressourcenverbrauch
  • weniger Flächenbedarf
  • weniger klimaschädliche Treibhausgase
  • nachhaltige Produktgestaltung
  • Wirtschaftlichkeit durch Materialeffizienz
  • längere Nutzungszyklen
  • und schließlich: weniger Müll und Umweltbelastungen

Der (offizielle) Weg ist das Ziel: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz

Vorteile der Kreislaufwirtschaft

Was bleibt ist die Frage nach der Umsetzung einer Umstellung. Ohne politische Entscheidungen wird die nicht möglich sein. Aktuell fordert das Europäische Parlament zum einen Maßnahmen dagegen, dass Geräte vorzeitig kaputt gehen. Zum anderen gibt es in Deutschland seit 1996 ein Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Darin heißt es, dass diejenige Abfallbewirtschaftungsmaßnahme zu wählen sei, „die Mensch und Umwelt am besten schützt. Technische, wirtschaftliche und soziale Gesichtspunkte sollen hierbei berücksichtigt werden.“

Im Januar 2020 trat eine Anpassung des Gesetzes in Kraft, das die Abfallhierarchie konsequenter umsetzen soll. Mindestens 50 Gewichtsprozent der neuen Produktionen müssen seitdem recyclebar sein.

Klingt gut, aber löst das Problem nicht. Bettina Hoffmann, Sprecherin der Grünen für Umweltpolitik im Bundestag, spricht sogar von einer „reinen Shownummer“. Es fehle bis heute „jegliche rechtliche Handhabe, um die Vernichtung von Waren zu stoppen. Die Umweltministerin rühmt sich mit einem Paragraphen, der nicht mehr ist als eine freundliche Erinnerung an die Hersteller, ihrer Produktverantwortung gerecht zu werden.“ (Quelle: tagesschau)

Fünfstufige Abfallhierarchie (§ 6 KrWG)
  1. Vermeidung: Jede Maßnahme, die ergriffen wird, bevor ein Stoff, Material oder Erzeugnis zu Abfall geworden ist, und die dazu dient, die Abfallmenge sowie die schädlichen Auswirkungen des Abfalls auf Mensch und Umwelt oder den Gehalt an schädlichen Stoffen in Materialien und Erzeugnissen zu verringern. Hierzu zählen insbesondere die anlageninterne Kreislaufführung von Stoffen, die abfallarme Produktgestaltung, die Wiederverwendung von Erzeugnissen oder die Verlängerung ihrer Lebensdauer sowie ein Konsumverhalten, das auf den Erwerb von abfall- und schadstoffarmen Produkten sowie die Nutzung von Mehrwegverpackungen gerichtet ist.
  2. Vorbereitung zur Wiederverwendung: Jedes Verwertungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Reparatur, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile von Erzeugnissen, die zu Abfällen geworden sind, so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wieder für denselben Zweck verwendet werden können, für den sie ursprünglich bestimmt waren.
  3. Recycling: Jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfälle zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke aufbereitet werden; es schließt die Aufbereitung organischer Materialien ein, nicht aber die energetische Verwertung und die Aufbereitung zu Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff oder zur Verfüllung (siehe § 3 Abs. 25a) bestimmt sind.
  4. Sonstige Verwertung, insbesondere energetische Verwertung und Verfüllung: Jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis die Abfälle innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie entweder andere Materialien ersetzen, die sonst zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder indem die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen.
  5. Beseitigung: Jedes Verfahren, das keine Verwertung ist, auch wenn das Verfahren zur Nebenfolge hat, dass Stoffe oder Energie zurückgewonnen werden.

Recyclingindustrie
Ein wichtiger Bestandteil der Kreislaufwirtschaft: Recycling

Da geht noch mehr: Warum Recycling allein nicht ausreicht

Und was ist mit Recycling? Funktioniert doch eigentlich schon ganz gut. Könnte mensch meinen! Aber leider gibt es auch dabei ein Aber. Genauer gesagt: einige. Die Hauptprobleme: Recyclingprozesse sind erstens mitunter sehr energieintensiv und viele Materialien sind zweitens per se gar nicht recyclingfähig. Zum Beispiel fossile Rohstoffe wie Kohle und Erdgas, die zur Energiegewinnung verbrannt werden. Biomasse, die als Nahrungs- oder Futtermittel verbraucht wird, ist nur weg und nicht woanders. Auch Rohstoffe wie Metalle und mineralische Substanzen in Gebäuden sind häufig so langfristig verbaut, dass sie nicht mehr zur Verfügung stehen.

Abgesehen davon bleiben auch beim Recycling immer Reststoffe zurück, die entsorgt werden müssen. Oft kann das Recyclingmaterial, das so genannte Rezyklat, auch wiederum nur in minderwertigeren Produkten eingesetzt werden – korrektes Wording: Downcycling. Und damit schließt sich der unbefriedigende Kreis: Circular Economy it is!

Recyclingquoten wichtiger Verpackungsmaterialien
Bei Verpackungsmaterialien sind die Recyclingquoten teilweise schon recht gut – aber da geht noch mehr!

Da spricht nichts dagegen: Diese Kreislauf-Wege wurden schon gegangen

Das meint auch Chemiker und Verfahrenstechniker Professor Michael Braungart: „In Deutschland denken noch zu viele, man könnte Umweltprobleme mit einer effizienten Müllverbrennungsanlage aus der Welt schaffen. Das Prinzip lautet: Von der Wiege bis zur Bahre. Sprich: Ein Produkt hat irgendwann das Ende seiner Lebenszeit erreicht, dann ist es Abfall. Natürlich gibt es in Deutschland ein Recycling-System. Doch dieses geht nicht weit genug. Wir müssen dahin kommen, dass wirklich alle Bestandteile eines Produkts endlos wiederverwertet werden können – und zwar ohne jegliche Qualitätseinbuße beim Produkt. Das Prinzip lautet dann: Von der Wiege bis zur Wiege. Oder auf Englisch „Cradle to Cradle“. (Quelle: Interview mit Michael Braungart)

Braungart entwickelte zusammen mit dem US-amerikanische Architekt William McDonough in den 90ern das nachhaltige und eben genau so benannte Wirtschaftskonzept „Cradle to Cradle“ und hilft seitdem Firmen, dem Vorbild der Kreisläufe in der Natur zu folgen und Produkte gleich so zu entwickeln, dass diese keinen Abfall mehr erzeugen. Stattdessen werden nur noch Reststoffe beziehungsweise Nährstoffe verwendet, die in geschlossenen Kreisläufen genutzt werden können. Und nur das bedeutet ökoeffektiv zu wirtschaften. „Der Vorteil ist, dass Produkte, die nach diesem Verfahren hergestellt sind, nicht nur nicht schädlich für den Menschen sind, sondern sie können sogar gesund sein. Wir entwickeln zum Beispiel Textilien, die die Haut pflegen. Wir achten zudem auf faire Produktionsbedingungen in den Herstellungsländern“, so Braungart. (Quelle: Interview mit Michael Braungart)

Einweg-Kaffeebecher
Auch im Alltag kann jede*r von uns einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten z.B. kein Einweggeschirr zu verwenden.

Das ist gar nicht so schwer: So können wir als Verbraucher*innen die Kreislaufwirtschaft unterstützen

Klingt alles schön und gut, lässt uns aber dennoch etwas rat- weil machtlos zurück? Klar! Schließlich können wir nicht von heute auf morgen als Einzelne ganze Systeme ändern. Der Lichtstreif am Horizont: Wie so oft können wir trotzdem auch privat kleine Schritte in Richtung große Veränderung gehen. Wir können in Hinblick auf die Nutzungsdauer von Produkten auf Miet-Optionen und Sharing-Dienste setzen, gebraucht kaufen und auch alte Gegenstände reparieren anstatt sie leichtfertig wegzuwerfen. Außerdem können wir sehr wohl auf einen rohstoffsparenden Konsum achten: Zum Beispiel weniger tierische Produkte essen, weniger Lebensmittelabfälle produzieren und vielleicht sogar über eine kleinere Pro-Kopf-Wohnfläche nachdenken.

Und last but absolutely not least: Wir können politisch werden und unseren Überzeugungen auch Forderungen folgen lassen. Es gibt viele kleine Schritte, die helfen, dass wir uns ins Sachen Umweltrettung nicht länger im falschen Kreis drehen.