Aufwändige Produktionsprozesse, Pionier-Arbeit und Müsli-Image hier, harte Auflagen, Kund*innen-Skepsis und Konsum-Lobbyismus da: Nein, so richtig leicht war’s für Unternehmen aus dem grünen Bereich auch vor Corona nicht. Erst langsam aber vermeintlich sicher, konnten sich nachhaltige Business-Modelle und Geschäftsideen von Eco Fair-Fashion über Kaffeesatz als Kunststoffersatz, faire Smartphones, Unverpackt-Läden, Zero Waste-Restaurants, nachhaltigen Produktionsfirmen, Ethik-Banken, Car Sharing-Angebote und unabhängige Energieversorger aus der Nische heraus kämpfen und endlich auch zunehmend in der breiten Masse etablieren. Dann kam die Pandemie – und mit ihr die Zwangspause für Ladengeschäfte, der Prüfstand für die wahre Wirtschaftsfähigkeit der guten Sache.
Und wie so oft bei so einschneidenden Ereignissen, gibt es auch in diesem, dem ökologisch korrekten Fall, Gewinner*innen und Verlierer*innen. - Kann man, ganz allgemein, sagen, wie’s den nachhaltigen Unternehmen in dieser Krise geht? Nachhaltigkeitsexpertin Anna Schunck hat bei ihnen nachgefragt.
Grün oder nicht grün: Der Ist-Stand ist branchenabhängig
„Den nachhaltigen Unternehmen geht es erstmal genauso wie den konventionellen“, sagt Dr. Katharina Reuter, Agrarökonomin und Geschäftsführerin des Vereins UnternehmensGrün auf unsere Anfrage. „Ob Umsatzeinbrüche oder besonders hohe Nachfrage – hier liegen die Unterschiede in den Branchen begründet.“ Katastrophal sei Corona natürlich vor allem für den Messe- und Veranstaltungsbereich, Tourismus-Einrichtungen und Gastro-Betriebe sowie die jeweils damit verbundenen Dienstleistenden.
Gerade in den Großstädten zeigt sich, zumindest für Cafés und Restaurants, aber auch eine große Solidarität – insbesondere für die kleinen, Inhaber*innen geführten Versionen, die selbst gemachte und oft nachhaltige Angebote ausliefern und noch oder wieder To Go verkaufen dürfen. Kund*innen, so scheint es, wissen während dieser ungewöhnlichen Zeit des Innehaltens, das Natürliche, Ursprüngliche, wieder mehr zu schätzen.
Eine Tendenz, die sich auch im eco-fairen Einzelhandel zeigt: „In den vergangenen Wochen haben wir mit dem Online-Geschäft einen weit höheren Umsatz gemacht, als letztes Jahr zur selben Zeit“, sagt Lisa Jaspers, Entwicklungszusammenarbeiterin und Gründerin des nachhaltigen Berliner Fashion-, Accessoire- und Interior-Labels Folkdays [unbezahlte Werbung]. Ein schönes Zeichen. Sicherheit gibt es nicht. Diverse nachhaltige Einrichtungen haben deshalb die staatlichen Soforthilfen für Kleinunternehmer*innen beantragt.
Nachhaltige Unternehmen finden kreative Wege aus der Krise
„Damit wurden bundesweit erste Negativeffekte abgefedert“, so UnternehmensGrün Geschäftsführerin Reuter. Gleichzeitig gibt es bereits die ersten Geschäftsaufgaben wegen Insolvenz. „In der Krise sehen wir, wer auch ökonomisch nachhaltig gewirtschaftet hat und in der Lage ist, zumindest kurzfristig ohne staatliche Hilfen auszukommen“, so Reuter. „Wir machen uns einerseits große Sorgen um die grünen Start-Ups, die zum Teil gerade richtig loslegen wollten – und jetzt massiv durch Corona ausgebremst werden. Und es macht andererseits Mut, wie kreativ viele Gründer*innen und Unternehmer*innen sind, um auf die Krise zu reagieren und beispielsweise neue solidarische Geschäftsmodelle entwickeln.“
Auch bekommen viele mittelständische nachhaltige Unternehmen in Sachen Strukturen jetzt einen Extra-Lohn für ihre Mühen. „Wir haben schnell gemerkt, dass unsere moderne Art des Zusammenarbeitens in Krisenzeiten super funktioniert. Alle waren mit Laptops und Programmen wie Slack fürs Homeoffice sofort ausgestattet und behielten einen kühlen Kopf. Wir haben einen Eskalationsstufen-Plan und eine Telefonkette erarbeitet, so dass wir einen Plan B und C haben. Ich glaube in ungewissen Zeiten wie diesen braucht es einfach Vorbereitung, aber auch Kreativität und den Zusammenhalt des Teams. Und das haben wir!“, berichtet etwa Milena Glimbowski, Gründerin und Geschäftsführerin der beiden Berliner Original Unverpackt-Läden [unbezahlte Werbung]. „Gleichzeitig wissen wir nicht, welche Lieferketten schwierig werden.“
Corona kann kein Grund sein, Umweltschutz in Lieferketten auszusetzen
Schwer abzusehen bleibt in vielen Branchen nicht nur, ob etwas kommt, sondern auch: wie! So fordern erste konventionelle Akteure laut Reuter bereits, Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen oder soziale Aspekte in Lieferketten auszusetzen. Insbesondere in der Modeindustrie spielt Ethik eine besonders große Rolle. Aktuell stehen in verschiedenen Schwellenländern viele Produktionsstätten – in denen mitunter auch Bio-Baumwolle mit verarbeitet wird – still, bereits bestellte oder sogar schon produzierte Ware wird von Fast Fashion Konzernen nicht mal mehr bezahlt.
Und auch direkt vor unserer eigenen Haustür könnte Corona Kollateralschäden für den allgemeinen Ressourcen- und Umweltschutz mit sich bringen. Und die dürften grüne Unternehmer*innen, die ja meistens überzeugte Ökos oder Aktivist*innen sind, zusätzlich belasten: Mit den nötigen Hygienemaßnahme während der Pandemie-Zeit erlebt Einweg einen neuen Hype. Auch im nicht medizinischen Bereich kommen Einmalhandschuhe, Feucht- und Handtücher wieder zu einem ungeahnt hohen Einsatz. Ein Einschnitt, der die Wegwerfgesellschaft, von der wir uns doch gerade so schön entfernen wollten, wieder ganz normal macht?
Wird die Besinnung aufs Wesentliche möglich?
Fakt ist: Während der Krise besinnen sich viele aufs Wesentliche. Wir merken, was wir wirklich brauchen und wollen. Wir spüren, welche Artikel notwendig und welche reiner Luxus sind. Wir erkennen, wofür wir das allseits knapper werdende Geld ausgeben wollen – und bei wem es landen soll. Wir werden bewusster. Auch dafür, wie sich eine Krise anfühlt. Und die wollen die meisten wohl lieber nicht nochmal erleben. Auch nicht, wenn’s nächstes Mal zum Beispiel um Umwelt und Klima geht.
Die Wirtschaftskrise darf für nachhaltige Unternehmen nicht chronisch werden
So dürfen wir hoffen, dass auch nach Selbstisolation und Maskenpflicht viele Bürger*innen auf Sharing Mobility setzen oder sich durch bessere Luft über den großen Städten endlich motivieren lassen, auf Ökostrom umzusteigen. Und sonst? Sonst gilt es, weiter zu überlegen wen und was wir unterstützen wollen, damit die Krise durch Corona für unsere Lieblings-Branchen nicht noch chronisch wird. Natürlich will hier keiner zum Konsum aufrufen. Wer aber genau weiß, wo er immer gern einkauft, kann weiterhin geschlossene Läden sofort mit einem Gutschein ein bisschen Geld in die Kasse spülen. Kleine Lebensmittelläden liefern nach Hause und vielleicht ist genau jetzt endlich die Zeit, generell auf eine Biokiste umzustellen. Unterm Strich müssen den individuellen aber auch in diesem Fall wieder systemische Maßnahmen folgen. Maßnahmen, die wir alle auch von Wirtschaft und Politik fordern sollten. In Sachen Slowfashion geht das zum Beispiel über Lisa Jaspers Petition #fairbylaw oder die aktuelle Initiative #fashionsolidarity.
„Es kommt jetzt darauf an, die mittel- und langfristigen Konjunkturprogramme so klug auszugestalten, dass sie die notwendige Transformation der Wirtschaft voranbringen“, befindet UnternehmensGrün-Geschäftsführerin Reuter. „Daher müssen Konjunkturprogramme mit dem 1,5 Grad Ziel und dem Europäischen Green Deal verknüpft werden, damit es nicht zu Fehlinvestitionen und stranded assets kommt.“ Wer das genauso sieht, schreibt seinen Abgeordneten, geht demonstrieren und teilt seine Meinung via Social Media.